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Teilhabeorientierte Kompetenzraster (ToK)


Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf und sonderpädagogischem Bildungsanspruch haben das Recht, an allgemein bildendenden Schulen zu lernen. Auch für Kinder mit selbstschädigenden Verhaltensweisen und aus prekären Lebensverhältnissen, deren Schulabschluss ohne zusätzliche Unterstützung gefährdet ist, muss Schule Lernangebote bereithalten. Neben der Abschlussfähigkeit und der schulischen Anschlussfähigkeit gewinnt der Aspekt der Teilhabe gesellschaftlich eine zentrale Bedeutung.

Vielfältige Erfahrungen im gemeinsamen Unterricht und in der Einzelbegleitung zeigen, dass das bisherige Verständnis von individualisiertem Lernen und die dabei verwendeten Instrumente der Bewertung nicht ausreichen: Zur Abbildung, Organisation und Umsetzung von Teilhabe haben Schulen bislang kein angemessenes Instrument zur Verfügung.

 

Zielsetzung, Arbeitsweise und Qualitätsanspruch

Unter der Leitung des Staatlichen Schulamtes Lörrach hat sich eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Gemeinschaftsschulen, aller Sonderschularten und privater Verbundschulen das Ziel gesetzt ein beobachtungsvalides und steuerungswirksames Beurteilungstool zu entwickeln, das den Aspekt der „Teilhabe“ im gemeinsamen Unterricht stärker als bisher berücksichtigt, dabei individuelle Kompetenzerfassung erlaubt und eine personalisierte Förderplanerstellung ermöglicht.

Grundlage der vorliegenden Arbeit sind die unterschiedlichen Bildungspläne der Sonderschulen mit ihren Bildungsbereichen, die seinerzeit auf Grundlage der ICF und des Index für Inklusion entwickelt wurden.

Als Qualitätsanforderungen an Unterstützungsmaterialien für kompetenzorientierte personalisierte Lernprozesse (Kompetenzraster und zugeordnete Item-Listen) wurden Beobachtungsvalidität und Steuerungswirksamkeit gesetzt.

Beobachtungsvalidität wird hergestellt, indem

(1) im Lernfeld des Kompetenzrasters jede komplexe Schlüsselkompetenz in ihre Aspekte zerlegt dargestellt wird und

(2) auf der Ebene der Itemliste die beobachtbaren Voraussetzungen zu jedem einzelnen Aspekt aufgegriffen und für unterschiedliche Beobachter zweifelsfrei entscheidbar formuliert sind.

Steuerungswirksame Items sind:

1. beobachtbar (kommunizierbar)

2. beurteilbar (kriterienorientiert)

3. beratungstauglich (handlungsleitend)

4. trainierbar (operationalisiert)

Die Anforderungen an zu erstellende Lernsteuerungs-Materialien sind diese:

  • überschaubar wenigen Lernfelder auf der Raster-Ebene
  • jedem Lernfeld ist eine Item-Liste zugeordnet, in der kriterienorientierte operationalisierte und in einer binären Logik zweifelsfrei entscheidbare Voraussetzungen verschriftlicht sind.
  • Die Sprache auf der Item-Ebene muss unabhängig von der (Aus-) Bildungsherkunft des Beobachters verstanden werden können.
  • Bei positiver Beurteilung der Mehrheit aller dort gelisteten Aspekte („…ist beobachtbar / vorhanden“) muss der Schluss auf das Vorhandensein der zum Lernfeld gehörenden komplexen Kompetenzen möglich sein.

 

Beobachtungsvalide Kompetenzraster und Itemlisten haben Professionalisierung von Beobachtung und Beurteilung zum Ziel. Sie erlauben größtmögliche Freiheit bezüglich Lernsituation und -Inhalt.

Die ToKs bestehen in der Startversion aus sechs Teilhabeorientierungs-Kompetenzraster-Karten, welche die Bildungsplanbereiche

(1) ANFORDERUNGEN UND LERNEN

(2) IDENTITÄT UND SELBSTBILD

(3) LEBEN IN DER GESELLSCHAFT

(4) SELBSTÄNDIGE LEBENSFÜHRUNG

(5) KOMMUNIKATION / UMGANG MIT ANDEREN

(6) ARBEIT

abdecken.

Trotz der reduzierten (und damit überschaubaren) Anzahl an ausformulierten Lernfeldern auf jeder Karte sind auf dieser Ebene alle teilhaberelevanten Anforderungen aus den bestehenden Sonderschullehrplänen erfasst. Redundanzen wurden aufgehoben und die dargestellten Kompetenzen wurden den drei definierten Niveaustufen zugeordnet, wo notwendig ergänzt und sprachlich präzisiert.

Das ToK-Tool eignet sich sowohl für eine teilhabeorientierende Förderplanung, als auch für eine realistische Selbsteinschätzung (selbst- und fremdreferentielle Differenzwahrnehmung) und Beratungsgespräche im Zusammenhang einer Erziehungspartnerschaft.

 

Die ToK - Materialien

(1)        Orientierung der Lehrperson:

Übersichtliche Druckversion der To-Kompetenzraster als Planungsgrundlage für didaktisch / methodischer Überlegungen, auch Organisation von Kooperation, Inputs, Förderplanung etc. … .

Dafür wurden Kompetenzraster-Karten und zugeordnete schulintern gültige Steuerungsblätter entwickelt. In der jetzt vorliegenden Form sind alle sechs Bildungsbereiche auf jeweils einer Karte übersichtlich dargestellt. Jeder Karte sind durchschnittlich 15 bis 20 Steuerungsblätter zugeordnet, die das Schulcurriculum abbilden und individualisierte Unterrichtsvorbereitung / Förderplanung für den Lehrer ermöglichen.

(2)        Orientierung des Lernenden:

Übersichtliche Druckversion des To-Kompetenzrasters als Rückmeldungsinstrument über Lernstand und Lernweg, kompetenzorientierte Arbeitsblätter mit Förderplanung und Möglichkeit zur Selbst- und Fremdeinschätzung als Gesprächs- und Coachinggrundlage.

Dies geschieht über Kompetenzkarten zur Bepunktung durch die Schüler und persönlich zugeordnete Kompetenzblätter mit Anweisungs- und Protokollfeldern als Coachinggrundlage. Diese liegen für jedes einzelne Kompetenzfeld vor. (118 Stück).

(3)        Protokoll für die Lehrperson:

Informationsspeicher für den Lehrenden bezgl. Lernstand und -Geschichte und ggfls. Grundlage für Beurteilungsprozesse.

Dies wird über eine A3-Schülerprotokollkarte und zugeordnete Protokollblätter umgesetzt, die der Lehrperson als „Notenbuchersatz“ für jeden einzelnen Schüler über 5 Lernjahre dienen.

Alternativ kann Förderplanung und Dokumentation auch über eine Lern- und Organisationssoftware vorgenommen werden.

(1) Orientierung der Lehrperson:

(2) Orientierung des Lernenden:

(3) Protokoll für die Lehrperson
(pro SuS):

 Steuerungsblätter

Kompetenzblätter

Schülerprotokollkarte



Notwendige Weiterentwicklungen

Die Leitgedanken und die zugeordneten Kompetenzfelder müssen überprüft werden. Neben einer sprachlichen Vereinheitlichung und Anpassung der Begrifflichkeiten ist auch eine Überprüfung hinsichtlich Vollständigkeit der Beschreibung notwendig: Es sollte im Praxiseinsatz untersucht werden, ob bei bestimmten Leitgedanken eventuell Ergänzungsbedarf an Kompetenzfeldern oder an anderer Stelle eine Reduktion von solchen möglich scheint.

Die ToKs sind auch in die Lern- und Organisationssoftware KOPILOT® integriert, welche die Funktionen „individuelle Schülerdokumentation“, „Coaching“ und „Lernberichtserstellung“ übernimmt. In absehbarer Zeit wird dort auch die Funktion „personalisierte Förderplanerstellung per Drag and Drop“ zur Verfügung stehen.

Dr. Helios Scherer, Schulrat, Staatliches Schulamt Lörrach

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